Entscheidungsdatum: 09.11.2010
Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Dezember 2008 - 3 TaBV 1131/08 - aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag des Betriebsrats entsprochen hat.
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. April 2008 - 38 BV 18755/07 - wird zurückgewiesen.
Der in der Beschwerdeinstanz erhobene Feststellungsantrag und der auf die Aufhebung der Einstellung der Arbeitnehmerin D B zum 26. Juni 2008 bezogene Aufhebungsantrag werden abgewiesen.
A. Die Beteiligten streiten über die Tendenzträgereigenschaft von pädagogischen Mitarbeitern.
Die Arbeitgeberin, die ca. 600 Arbeitnehmer in 25 Betriebsstätten beschäftigt, ist nach einem rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. August 2005 (- 36 BV 11795/05 -) ein Tendenzunternehmen iSv. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG, welches unmittelbar und überwiegend karitativen und erzieherischen Zwecken dient. Gegenstand ihres Unternehmens ist ua. die Einrichtung und der Betrieb von Kindertagesstätten, Tagesförderstätten und Wohnheimen für behinderte Menschen. Ziel der Arbeitgeberin ist die Integration der von ihr betreuten behinderten Menschen in die Gesellschaft. Ihre Tätigkeit ist am Normalisierungsprinzip ausgerichtet. Danach soll den behinderten Menschen ein möglichst normales, selbstbestimmtes Leben sowie die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft ermöglicht werden.
Die im Stadtgebiet von Berlin gelegenen Wohnheime der Arbeitgeberin sind in drei Wohnheimbereiche gegliedert, die jeweils von einem Abteilungsleiter geführt werden. Dieser ist für die Umsetzung der unternehmerischen Ziele und für die konzeptionelle Fortentwicklung des Leistungsangebots verantwortlich. Die Betreuung der behinderten Menschen erfolgt in Wohnheimen durch pädagogische Mitarbeiter, die über unterschiedliche Ausbildungen verfügen. In fast allen Wohnheimen ist daneben ein Gruppenleiter für die Aufsicht über mehrere Wohngruppen zuständig.
Für jeden Heimbewohner wird auf der Grundlage seines individuellen Hilfebedarfs nach der von der Arbeitgeberin erstellten Prozessbeschreibung „Hilfeplanung Wohnheime“ eine Hilfeplanung entwickelt. Zuständig für die Erstellung der Hilfepläne ist ein interdisziplinäres Team, dem neben pädagogischen Mitarbeitern Ärzte, Psychologen, Krankengymnasten sowie Handwerker angehören. Die Hilfepläne werden von dem jeweiligen pädagogischen Mitarbeiter als Bezugsbetreuer, dem Gruppenleiter sowie dem Abteilungsleiter unterzeichnet. Auf der Grundlage der Hilfebedarfspläne werden für den Leistungsträger Entwicklungsberichte erstellt.
Nach einer unter dem 5. September 2002 erstellten Stellenbeschreibung gehört zu den Aufgaben der in den Wohnheimen eingesetzten pädagogischen Mitarbeiter ua. die Erstellung, Umsetzung und Dokumentation der Hilfeplanung entsprechend des individuellen Hilfebedarfs, die Wahrnehmung der Aufgaben eines Bezugsbetreuers, Beschaffung von Wirtschafts- und Lebensmittelbedarf unter Berücksichtigung der Nutzeranforderungen und der Wirtschaftlichkeit, die Einarbeitung neuer Mitarbeiter sowie die Zusammenarbeit mit den gesetzlichen Vertretern der behinderten Menschen und deren Angehörigen. Diese Stellenbeschreibung ist in der Folgezeit durch eine unter dem 15. Dezember 2006 erstellte Stellenbeschreibung abgelöst worden.
Die Arbeitgeberin hat für die Tätigkeit der in den Wohnheimen beschäftigten Gruppenleiter eine Stellenbeschreibung vom 5. September 2002 erstellt. Danach gehören zu den Aufgaben der Gruppenleiter zusätzlich zu ihren Aufgaben als pädagogischer Mitarbeiter die Regelung der Kommunikation und Entwicklung von Methoden der Zusammenarbeit im Arbeitsteam, das Erstellen von Zeugnisentwürfen und Dienstplänen für die pädagogischen Mitarbeiter sowie deren Urlaubsplanung und die Ermittlung des Fortbildungs- und Supervisionsbedarfs der ihnen unterstellten Mitarbeiter. Daneben sind den Gruppenleitern administrative Tätigkeiten übertragen.
Zwischen der Arbeitgeberin und ihrem Betriebsrat kam es in der Vergangenheit zu Meinungsverschiedenheiten über die Beteiligungsrechte bei der Einstellung und Versetzung von pädagogischen Mitarbeitern und Gruppenleitern, die in den Wohnheimen der Arbeitgeberin eingesetzt werden. Die Arbeitgeberin sieht diese als Tendenzträger an, bei denen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eingeschränkt ist. Sie hat daher den Betriebsrat über die Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses der pädagogischen Mitarbeiterin D B vom 26. Juni 2008 bis zum 31. Juli 2009 lediglich informiert. Ebenso hat die Arbeitgeberin darauf verzichtet, die Zustimmung des Betriebsrats zu der bis zum 31. Dezember 2008 befristeten Versetzung des als Gruppenleiter Wohnen beschäftigten Arbeitnehmers W I einzuholen.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er habe bei der Einstellung sowie der Versetzung der in den Wohnheimen eingesetzten pädagogischen Mitarbeiter und Gruppenleiter nach §§ 99 ff. BetrVG mitzubestimmen. Dem stehe die Regelung des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG nicht entgegen; die pädagogischen Mitarbeiter und die Gruppenleiter seien keine Tendenzträger.
Der Betriebsrat hat nach einer Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz - soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung - zuletzt beantragt,
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1. |
festzustellen, dass dem Betriebsrat bei der Einstellung - auch in Gestalt einer wesentlichen Aufstockung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit - eines Erziehers/einer Erzieherin mit einer Tätigkeit auf der Grundlage der Stellenbeschreibung „pädagogischer Mitarbeiter Wohnen“ oder der Stellenbeschreibung „Gruppenleiter Wohnen“ in einem Wohnheim oder Kleinstheim der Arbeitgeberin und bei einer Versetzung von einem Wohnheim bzw. Kleinstheim ohne oder mit gleichzeitiger Entbindung von der Gruppenleiterfunktion ein Mitbestimmungsrecht nach §§ 99, 100 und 101 BetrVG zusteht, |
hilfsweise, |
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2. |
der Arbeitgeberin aufzugeben, die Einstellung der Erzieherin D B zum 26. Juni 2008 und die Versetzung des Gruppenleiters/Erziehers W I in das Wohnheim A aufzuheben. |
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die ursprünglichen Hauptanträge des Betriebsrats, die auf die Feststellung seines Mitbestimmungsrechts bei einzelnen personellen Maßnahmen und hilfsweise auf deren Aufhebung gerichtet waren, abgewiesen. Dagegen hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt und seine Feststellungsanträge hilfsweise um einen auf die Einstellung und Versetzung von pädagogischen Mitarbeitern in Wohnheimen sowie von Gruppenleitern bezogenen Feststellungsantrag erweitert. Das Landesarbeitsgericht hat diesem Antrag unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde entsprochen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin, mit der diese die vollständige Abweisung der Anträge begehrt.
B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Der Feststellungsantrag des Betriebsrats ist unzulässig, während sein in der Rechtsbeschwerdeinstanz angefallener Aufhebungsantrag unbegründet ist.
I. Der Feststellungsantrag ist unzulässig, weil es an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen rechtlichen Interesse an alsbaldiger gerichtlicher Feststellung fehlt.
1. Mit dem Hauptantrag möchte der Betriebsrat das Bestehen seines Mitbestimmungsrechts bei der Einstellung und der Versetzung festgestellt wissen, wenn diese Maßnahmen in Wohnheimen beschäftigte pädagogische Mitarbeiter oder die dort eingesetzten Gruppenleiter betreffen, die auf der Grundlage der Stellenbeschreibungen „Pädagogischer Mitarbeiter Wohnen“ sowie „Gruppenleiter Wohnen“ vom 5. September 2002 beschäftigt werden. Mit diesem Inhalt hat das Landesarbeitsgericht den Antrag auch beschieden.
2. Bei diesem Verständnis ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Maßnahme, an welcher der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG festgestellt wissen will, ist im Antrag hinreichend beschrieben. Dabei kann zu Gunsten des Betriebsrats unterstellt werden, dass die im Antrag verwandte Einschränkung „wesentliche Aufstockung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit“ entsprechend der Senatsrechtsprechung (9. Dezember 2008 - 1 ABR 74/07 - Rn. 19, BAGE 128, 351) die Erhöhung der Arbeitszeit über die in § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG genannte Grenze von zehn Wochenstunden hinaus bezeichnet.
3. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass er auf einer im Beschwerdeverfahren vorgenommenen Antragsänderung beruht. Der in der ersten Instanz unterlegene Betriebsrat hat den Feststellungsantrag im Wege der Antragserweiterung (§ 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2, § 81 Abs. 3 ArbGG, § 533 ZPO) ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt. Das Landesarbeitsgericht hat ihn als sachdienlich angesehen und zugelassen. Im Übrigen hat sich die Arbeitgeberin auf den geänderten Antrag rügelos eingelassen.
4. Dem Antrag fehlt jedoch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
a) Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ein besonderes rechtliches Interesse daran erforderlich, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Für eine nur auf die Vergangenheit gerichtete Feststellung, aus der sich keinerlei Rechtsfolgen für die Zukunft mehr ergeben, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig nicht. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, einem Beteiligten zu bescheinigen, dass er im Recht war, oder eine die Verfahrensbeteiligten interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu klären. Allerdings kann ein in der Vergangenheit liegender Streitfall Anlass sein, das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts für die Zukunft feststellen zu lassen. Der Inhalt oder der Umfang von Beteiligungsrechten können im Beschlussverfahren losgelöst von einem konkreten Ausgangsfall geklärt werden, wenn die Maßnahme, für die ein Beteiligungsrecht in Anspruch genommen wird, häufiger im Betrieb auftritt und sich auch künftig jederzeit wiederholen kann (BAG 15. April 2008 - 1 ABR 14/07 - Rn. 17 mwN, AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 54; 13. Februar 2007 - 1 ABR 14/06 - Rn. 10, BAGE 121, 139).
b) Hiernach hat der Betriebsrat kein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, da diese in der Vergangenheit liegende Vorgänge betrifft.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat dem Hauptantrag entsprochen und ein Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung und Versetzung der in den Wohnheimen eingesetzten pädagogischen Mitarbeiter bejaht. Seine Entscheidung hat es auf der Grundlage der Stellenbeschreibung vom 5. September 2002 getroffen, die von der Arbeitgeberin mit ihrem Schriftsatz vom 13. Februar 2008 in das Verfahren eingeführt worden ist. Dem Senat ist jedoch aus dem am 14. September 2010 entschiedenen Verfahren - 1 ABR 29/09 -, in dem die Beteiligten gleichermaßen um die Beteiligung des Betriebsrats bei der Einstellung und der Versetzung von pädagogischen Mitarbeitern in Wohnheimen für behinderte Menschen gestritten haben, bekannt, dass sich deren Tätigkeit nicht mehr nach der Stellenbeschreibung vom 5. September 2002, sondern nach einer unter dem 15. Dezember 2006 erstellten Stellenbeschreibung richtet. Diese hat das Landesarbeitsgericht bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen können, weil weder der Betriebsrat noch die Arbeitgeberin entsprechenden Vortrag gehalten haben. Da die Tätigkeitsbeschreibung vom 5. September 2002 für die Einstellung und die Versetzung der in den Wohnheimen beschäftigten pädagogischen Mitarbeiter nicht mehr von Bedeutung ist, bedarf es keiner zukunftsbezogenen gerichtlichen Entscheidung über die Einstellung und Versetzung der auf ihrer Grundlage beschäftigten pädagogischen Mitarbeiter. Der Betriebsrat benötigt die begehrte Feststellung auch nicht etwa, um künftige Streitigkeiten über seine Mitbestimmung bei gleichartigen personellen Maßnahmen zu vermeiden. Die von den pädagogischen Mitarbeitern nach der Stellenbeschreibung vom 15. Dezember 2006 auszuübenden Tätigkeiten entsprechen nicht den ihnen zuvor übertragenen Aufgaben, so dass sich die Rechtskraftwirkung einer gerichtlichen Entscheidung auf der Grundlage der Stellenbeschreibung vom 5. September 2002 nicht auf die zukünftig von der Arbeitgeberin durchzuführenden Einstellungen und Versetzungen erstrecken würde.
bb) Dem Hauptantrag fehlt es gleichermaßen an einem Feststellungsinteresse, soweit er sich auf die in den Wohnheimen eingesetzten Gruppenleiter bezieht. Deren Tätigkeit richtet sich zwar nach wie vor nach der Stellenbeschreibung vom 5. September 2002. In dieser wird jedoch ausdrücklich auf die für pädagogische Mitarbeiter in Wohnheimen geltende Arbeitsplatzbeschreibung Bezug genommen und diese zum Bestandteil der Arbeitsinhalte eines Gruppenleiters gemacht. Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Damit hängt auch das Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung und Versetzung von Gruppenleitern von der rechtlichen Beurteilung der für pädagogische Mitarbeiter in Wohnheimen geltenden Stellenbeschreibung vom 15. Dezember 2006 ab.
II. Der danach dem Senat zur Entscheidung angefallene Hilfsantrag ist unbegründet. Bei dem Antrag auf Aufhebung einer personellen Einzelmaßnahme nach § 101 BetrVG handelt es sich um einen Leistungsantrag, für den es zwar der Darlegung eines besonderen Rechtsschutzinteresses nicht bedarf. Der Antrag wird jedoch unbegründet, wenn die im Antrag bezeichnete personelle Einzelmaßnahme durch Zeitablauf geendet hat. Dies ist vorliegend der Fall. Sowohl die bis zum 31. Juli 2009 befristete Einstellung von Frau B wie auch die bis zum 31. Dezember 2008 durchgeführte Versetzung von Herrn I sind beendet.
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Schmidt |
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Linck |
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Koch |
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Manfred Gentz |
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Platow |