Entscheidungsdatum: 17.09.2013
1. Der Beschluss einer Einigungsstelle, mit dem diese ihre Zuständigkeit bejaht oder verneint, kann nicht mit einem Antrag zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden, der auf die Feststellung der Unwirksamkeit dieses Beschlusses gerichtet ist.
2. Ein Betriebsteil ist dem Hauptbetrieb zuzuordnen, wenn seine Belegschaft nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Teilnahme an der dort stattfindenden Betriebsratswahl beschließt.
Die Sprungrechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 6. März 2012 - 16 BV 283/11 - wird zurückgewiesen.
A. Die Beteiligten streiten über die Aufstellung eines Sozialplans.
Die Arbeitgeberin bietet bundesweit Finanzdienstleistungen an. Neben ihrem Sitz in München unterhält sie Geschäftsstellen an verschiedenen Standorten im Inland.
An der im Jahr 2010 durchgeführten Wahl des Betriebsrats für den Betrieb München nahmen auch die 16 Arbeitnehmer der bis dahin betriebsratslosen Geschäftsstelle Mannheim teil. Deren Arbeitnehmer hatten zuvor beschlossen, sich an der für den Betrieb München durchgeführten Betriebsratswahl zu beteiligen.
Die Geschäftsstelle Mannheim wurde im Verlauf des Jahres 2010 geschlossen. Die vom Betriebsrat geforderte Aufstellung eines Sozialplans lehnte die Arbeitgeberin ab. Eine daraufhin gebildete Einigungsstelle stellte am 13. Mai 2011 ihre Unzuständigkeit fest.
Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Entscheidung der Einigungsstelle sei unwirksam. Die Geschäftsstelle Mannheim und der Betrieb München seien mitbestimmungsrechtlich jeweils selbständige Betriebe, so dass die Schließung der Geschäftsstelle Mannheim eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG darstelle. Durch den Beschluss der Arbeitnehmer der Geschäftsstelle Mannheim, an der Wahl des Betriebsrats in München teilzunehmen, sei die Fiktionswirkung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG nicht aufgehoben worden.
Der Betriebsrat hat beantragt
festzustellen, dass die Entscheidung der zwischen den Parteien gebildeten Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Aufstellung eines Sozialplans betreffend den Ausgleich bzw. die Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile aus Anlass der geplanten Schließung der Geschäftsstelle Mannheim“ vom 13. Mai 2011 unwirksam ist.
Die Arbeitgeberin hat die Abweisung des Antrags beantragt.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Mit der zugelassenen Sprungrechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Feststellungsantrag weiter.
B. Die zulässige Sprungrechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Feststellungsantrag zu Recht abgewiesen. Der Betriebsrat kann für die Schließung der Geschäftsstelle Mannheim nicht die Aufstellung eines Sozialplans verlangen.
I. Der Antrag bedarf der Auslegung.
1. Nach seinem Wortlaut ist der Antrag ausschließlich auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle vom 13. Mai 2011 gerichtet. Mit diesem Inhalt wäre er unzulässig. Für die begehrte Feststellung fehlte es an den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO, da der Antrag kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Gegenstand hat. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung wird durch Einigungsstellenbeschlüsse, mit denen diese ihre Zuständigkeit bejaht oder verneint, kein Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien begründet. Als Entscheidung über eine Rechtsfrage stellen sie keine die Einigung der Betriebsparteien ersetzende und diese bindende Regelung iSd. Vorschriften über die erzwingbare Mitbestimmung dar. Die Zuständigkeit der Einigungsstelle setzt das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts voraus. Nur hierüber können die Gerichte mit Bindungswirkung entscheiden (BAG 31. Mai 2005 - 1 ABR 22/04 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 115, 49). Eine über das Vorliegen eines Rechtsverhältnisses hinausgehende (fristgebundene) Rechts- und Ermessenskontrolle von Einigungsstellensprüchen ist nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG nur für solche Entscheidungen eröffnet, in denen die Einigungsstelle eine der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegende Angelegenheit abschließend materiell ausgestaltet hat. Auf andere Beschlüsse der Einigungsstelle findet die Vorschrift keine Anwendung. Aus diesem Grund müssen die gegen deren Wirksamkeit gerichteten Feststellungsanträge den Anforderungen des auch im Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO genügen. Dazu sind die Anträge möglichst so auszulegen, dass sie die vom Antragsteller erstrebte Sachentscheidung zulassen (BAG 25. September 2012 - 1 ABR 45/11 - Rn. 12).
2. Danach ist der Antrag auf die gerichtliche Feststellung gerichtet, der Betriebsrat habe anlässlich der Schließung der Geschäftsstelle Mannheim ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach § 112 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 BetrVG auf Abschluss eines Sozialplans. Dieses Antragsverständnis hat der Betriebsrat in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt.
3. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO liegen vor.
a) Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts betrifft ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien und kann Gegenstand eines Feststellungsbegehrens iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sein (BAG 25. September 2012 - 1 ABR 45/11 - Rn. 17).
b) Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Mit dem Antrag wird die zwischen den Beteiligten streitige Frage geklärt, ob der Betriebsrat wegen der Schließung der Geschäftsstelle Mannheim die Aufstellung eines Sozialplans verlangen kann. Das Feststellungsinteresse ist auch nicht deshalb entfallen, weil die Arbeitgeberin die Schließung der Geschäftsstelle Mannheim bereits durchgeführt hat. Der Abschluss eines Sozialplans ist auch noch nach der Durchführung einer Betriebsänderung möglich (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 5/05 - Rn. 14, BAGE 117, 296).
II. Der so verstandene Antrag ist unbegründet. Der Betriebsrat kann für die Schließung der Geschäftsstelle Mannheim nicht den Abschluss eines Sozialplans verlangen. Die Maßnahme stellt keine sozialplanpflichtige Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 BetrVG dar. Die Geschäftsstelle Mannheim war zum Zeitpunkt ihrer Stilllegung weder ein eigenständiger Betrieb iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG iVm. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG noch ein wesentlicher Betriebsteil des Betriebs München.
1. Nach § 112 Abs. 4 BetrVG entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans, wenn es zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht zu einer Einigung über den Sozialplan kommt. Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitgeber eine Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 1 BetrVG plant oder bereits durchgeführt hat. Nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG gilt als Betriebsänderung insbesondere die Stilllegung oder Einschränkung eines Betriebs oder eines wesentlichen Betriebsteils.
2. Eine Betriebsänderung nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG liegt nicht vor. Es kann zugunsten des Betriebsrats unterstellt werden, dass die Geschäftsstelle Mannheim aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Hauptbetrieb in München nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als Betrieb gegolten hat, in dem ein Betriebsrat errichtet werden konnte. Die durch diese Vorschrift bewirkte Fiktion als Betrieb iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist durch den Beschluss der Belegschaft der Geschäftsstelle Mannheim über die Teilnahme an der Betriebsratswahl für den Betrieb München beendet worden. Ab dem Zeitpunkt der Einleitung des gemeinsamen Wahlverfahrens war die Geschäftsstelle Mannheim betriebsverfassungsrechtlich dem Hauptbetrieb in München zugeordnet.
a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gelten Betriebsteile als selbständige Betriebe, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllen und räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind. Die Arbeitnehmer eines solchen Betriebsteils können mit Stimmenmehrheit formlos beschließen, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilzunehmen, wenn in dem Betriebsteil kein eigener Betriebsrat besteht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG).
b) Die Belegschaft eines betriebsratslosen Betriebsteils iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat drei Möglichkeiten über eine kollektivrechtliche Repräsentanz zu befinden: Sie kann betriebsratslos bleiben, weil sie sich weder für die Wahl eines eigenen Betriebsrats noch für eine Zuordnung zum Hauptbetrieb entscheidet; sie kann für den Betriebsteil einen eigenständigen Betriebsrat wählen, der dann nur die Beschäftigten dieses Betriebsteils vertritt, oder die Teilnahme an der Wahl im Hauptbetrieb beschließen. In den ersten beiden Fällen bleibt die Fiktion eines eigenständigen Betriebs erhalten. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wird die durch § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG fingierte Eigenständigkeit des Betriebsteils durch den Beschluss über die Teilnahme an der Wahl im Hauptbetrieb aufgehoben. Für ihre Sichtweise, wonach die aus einer gemeinsamen Wahl hervorgegangene Arbeitnehmervertretung das Betriebsratsamt nicht nur für den Hauptbetrieb, sondern auch in einer Doppelfunktion zugleich für den betriebsverfassungsrechtlich weiterhin als eigenständig geltenden Betriebsteil wahrnimmt, bietet das Gesetz keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist ein betriebsratsloser Betriebsteil iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dem Hauptbetrieb zuzuordnen, wenn sich die Belegschaft des Betriebsteils für die Teilnahme an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb entscheidet und an dieser teilnimmt. Hierfür sprechen das systematische Normverständnis der Vorschriften über die Errichtung von Betriebsräten im Betriebsverfassungsgesetz sowie die Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.
aa) Der Wortlaut des § 4 Abs. 1 BetrVG ist für die Auslegung unergiebig. Der betriebsverfassungsrechtliche Status von Betriebsteilen ist in der Vorschrift nur unvollkommen geregelt. Deren Satz 1 erfasst nur den betriebsverfassungsrechtlichen Status von Betriebsteilen, die entweder räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind und die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllen. Diese qualifizierten Betriebsteile gelten kraft Fiktion als eigenständige Betriebe, in denen Betriebsräte gewählt werden. Unterbleibt eine solche Wahl, hat dessen Belegschaft nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG die Möglichkeit, mit Stimmenmehrheit formlos zu beschließen, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilzunehmen. Zu den Rechtsfolgen, die mit einem solchen Beschluss verbunden sind, verhält sich die Vorschrift nicht.
bb) Die Sichtweise der Rechtsbeschwerde steht im Widerspruch zur Systematik der Vorschriften über die Errichtung von Betriebsräten.
(1) Betriebsräte werden ausschließlich für eine betriebsratsfähige Einrichtung gewählt. Eine Doppelrepräsentanz eines unmittelbar gewählten Betriebsratsgremiums für zwei Betriebe sieht das Gesetz grundsätzlich nicht vor.
(a) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG werden in Betrieben mit mehr als fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt. Diese vertreten die Belegschaft des Betriebs, von der sie gewählt worden sind. Die Errichtung und Betätigung des Betriebsrats ist auf diese Einheit beschränkt. Träfe die Auffassung der Rechtsbeschwerde zu, würden die Arbeitnehmer des qualifizierten Betriebsteils von einem Betriebsrat repräsentiert, an dessen Wahl auch die Belegschaft des Hauptbetriebs teilgenommen hat. Dies widerspricht der Fiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wonach der qualifizierte Betriebsteil gerade als betriebsverfassungsrechtlich eigenständiger Betrieb gilt.
(b) Das Betriebsverfassungsgesetz lässt die Zuständigkeit eines Betriebsrats für die Arbeitnehmer eines weiteren Betriebs nur bei Bestehen eines Übergangsmandats (§ 21a BetrVG) zu. Dieses soll in der besonderen Situation einer betrieblichen Umstrukturierung den davon betroffenen Arbeitnehmern vorübergehend ihre betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte erhalten und bis zur Errichtung eines Betriebsrats in der neuen Einheit eine betriebsratslose Zeit vermeiden. Der Gesetzgeber hat in § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Zuständigkeit des Betriebsrats für die ihm bisher zugeordneten Betriebsteile ausdrücklich und zeitlich befristet angeordnet. Dies lässt erkennen, dass der Betriebsrat nur die Belegschaft eines Betriebs repräsentiert und es einer besonderen gesetzlichen Anordnung bedarf, um seine Repräsentanz auch auf Arbeitnehmer eines weiteren Betriebs zu erstrecken. Eine solche Regelung enthält § 4 Abs. 1 BetrVG aber nicht.
(2) Ein Beschluss nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG über die Teilnahme an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb hat zur Folge, dass für den qualifizierten Betriebsteil ein eigener Betriebsrat nicht gewählt werden kann. Betriebsstätten, in denen keine Betriebsräte errichtet werden können, werden nach § 1 Abs. 1 Satz 1, § 4 BetrVG dem Hauptbetrieb zugeordnet, an dessen Wahl sie teilnehmen und von dessen Betriebsrat sie repräsentiert werden.
(a) Dies gilt für einfache Betriebsteile, bei denen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht vorliegen. In diesen können wegen ihrer fehlenden Eigenständigkeit keine Betriebsräte errichtet werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts werden sie betriebsverfassungsrechtlich dem Hauptbetrieb zugeordnet (BAG 7. Mai 2008 - 7 ABR 15/07 - Rn. 19). Die Arbeitnehmer des einfachen Betriebsteils nehmen an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb teil und werden von dessen Betriebsrat vertreten. Die gleiche Rechtsfolge hat der Gesetzgeber bei den von § 4 Abs. 2 BetrVG erfassten Einheiten bestimmt. Nach dieser Vorschrift werden selbständige Betriebe, in denen mangels Betriebsratsfähigkeit kein eigener Betriebsrat gewählt werden kann, dem Hauptbetrieb zugeordnet.
(b) Eine vergleichbare Situation besteht, wenn die Belegschaft eines qualifizierten Betriebsteils nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG beschließt, an der Wahl zum Betriebsrat des Hauptbetriebs teilzunehmen. Mit dieser Entscheidung begeben sich die im Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmer der Möglichkeit, entweder betriebsratslos zu bleiben oder ihre Interessen durch einen ausschließlich von ihnen gewählten Betriebsrat wahrnehmen zu lassen. Sie werden durch den Betriebsrat des Hauptbetriebs vertreten. Nach der Systematik des Betriebsverfassungsgesetzes setzt dies die Zuordnung des qualifizierten Betriebsteils zum Hauptbetrieb voraus.
(3) Für die Auffassung der Rechtsbeschwerde spricht nicht die fehlende Verweisung in § 4 Abs. 1 BetrVG auf § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG. Nach der letztgenannten Vorschrift gelten die aufgrund eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten als Betriebe im Sinne dieses Gesetzes. Die gesetzliche Fiktion beruht auf der Annahme, dass es zumindest zweifelhaft sein kann, ob es sich bei den durch Kollektivvereinbarung geschaffenen Organisationseinheiten um Betriebe oder Betriebsteile iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG handelt. Insoweit hat der Gesetzgeber mit der Fiktion eine klarstellende Regelung geschaffen, nach denen die neu gebildeten Einheiten betriebsverfassungsrechtlich als Betriebe gelten. Eine solche Bezugnahme musste der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 BetrVG nicht aufnehmen. Die Zuordnung eines qualifizierten Betriebsteils erfolgt stets zu einer betriebsratsfähigen Einheit.
cc) Diese Sichtweise wird durch die Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG bestätigt.
Die Norm ist durch das Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes am 28. Juli 2001 (BetrVerf-Reformgesetz, BGBl. I S. 1852) dem bisherigen § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG angefügt worden. Auch der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass der Beschluss über die Teilnahme an der Wahl im Hauptbetrieb zu einer vorübergehenden Zuordnung des qualifizierten Betriebsteils zum Hauptbetrieb führt. Dies folgt aus der Gesetzesbegründung, nach der der bisherige § 4 BetrVG ua. um eine Regelung über die Zuordnung von selbständigen Betriebsteilen ergänzt werden sollte. Das Abstimmungsergebnis für die Teilnahme an der Wahl zum Betriebsrat im Hauptbetrieb wird dort als „Zuordnungsbeschluss“ bezeichnet. Weiter heißt es in der Gesetzesbegründung: „Die getroffene Zuordnung zum Hauptbetrieb gilt so lange, bis sie von den Arbeitnehmern widerrufen wird“ (BT-Drucks. 14/5741 S. 35).
dd) Weder allgemeine mitbestimmungsrechtliche Erwägungen noch die Beteiligungsrechte aus § 111 Satz 1, § 112 Abs. 1 und Abs. 4 BetrVG erzwingen ein anderes Auslegungsergebnis. Der Beschluss über die Teilnahme an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb und die damit verbundene Zuordnung des Betriebsteils wirken sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht ausschließlich zulasten der Belegschaft des vormals qualifizierten Betriebsteils aus.
(1) Mit dem in § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG vorgesehenen Abstimmungsverfahren hat der Gesetzgeber für die in einem qualifizierten Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmer einen einfachen Weg für eine Repräsentation geschaffen, ohne selbst einen Betriebsrat zu errichten. Dessen Belegschaft wird selbst dann von einem Betriebsrat vertreten, wenn unter den dort Beschäftigten keine Bereitschaft für die Übernahme eines Betriebsratsamts besteht. Sie kann die ansonsten eintretende Betriebsratslosigkeit durch eine entsprechende Beschlussfassung abwenden. Dabei ist der Gesetzgeber offenbar davon ausgegangen, dass in kleineren Einheiten die Bereitschaft für den Betriebsrat zu kandidieren, weniger ausgeprägt ist, als in größeren Betrieben. Weder der Arbeitgeber noch die im Hauptbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer können die damit verbundene Zuordnung verhindern.
(2) Die Zuordnung zum Hauptbetrieb kann sich bei betriebsändernden Maßnahmen auch zugunsten der Belegschaft des Betriebsteils auswirken. Überschreitet zB ein im Hauptbetrieb durchgeführter Personalabbau die Zahlengrenzen des § 112a Abs. 1 Satz 1 BetrVG und werden überwiegend Arbeitnehmer des Hauptbetriebs und nur einzelne Arbeitnehmer eines zugeordneten Betriebsteils betriebsbedingt gekündigt, werden auch deren Entlassungen von der Sozialplanpflicht des § 112a Abs. 1, § 112 Abs. 4 BetrVG erfasst. Die gekündigten Arbeitnehmer des Betriebsteils erhalten Sozialplanleistungen, die sie ansonsten mangels Erreichen der erforderlichen Zahlengrenzen nicht beanspruchen könnten, wenn der Betriebsteil - entsprechend der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht dem Hauptbetrieb zugeordnet, sondern als eigenständiger Betrieb fortbestanden hätte.
c) Danach hat das Arbeitsgericht den Feststellungsantrag zu Recht abgewiesen.
Die Geschäftsstelle Mannheim hat durch den Zuordnungsbeschluss und die Teilnahme ihrer Belegschaft an der Betriebsratswahl im Betrieb München ihre durch § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG fingierte betriebsverfassungsrechtliche Eigenständigkeit verloren. Die Voraussetzungen für eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG liegen bezogen auf den Betrieb München nicht vor. Die Arbeitgeberin hat keinen Betrieb stillgelegt. Dass es sich bei der Geschäftsstelle Mannheim um einen wesentlichen Betriebsteil iSd. genannten Vorschrift gehandelt hat, ist weder offensichtlich noch vom Betriebsrat geltend gemacht worden.
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