(BinSchUO2008Anh X)
Nationale Sonderbestimmungen(Anhang X zur Binnenschiffsuntersuchungsordnung)

Ausfertigungsdatum: 06.12.2008


Anlage 1 BinSchUO2008Anh X zur Dienstanweisung Nr. 1 des Anhang X Ermittlung der Seilkräfte

(Fundstelle: BGBl. I 2008, Anlageband zu Nr. 59, S. 745 - 752)

1
Vorbemerkungen
Diese Anlage dient der Berechnung von räumlichen Seiltragwerken unter Einwirkung von Eigenlast, Wind und wandernden Einzellasten aus Zug am Gierseil. In dieser Anlage ist unter Ansatz vereinfachender Annahme eine Möglichkeit für eine Handrechnung bei Angriff einer Einzellast in Fährseilmitte aufgezeigt. Weitere einer Handrechnung zugängliche Berechnungsverfahren können z.B. [1] entnommen werden.
2
Gierseil
Bei einem straff gespannten Gierseil ergibt sich die Seilkraft ZG am oberen Ende des Gierseils zu
(A.1)
mit
Hpstromparallele horizontale Kraftkomponente aus Strömung
HWstromparallele horizontale Kraftkomponente aus Wind
gGEigengewicht des Gierseils
lGGierseillänge
aGProjektion des Gierseils in die Horizontale
fGProjektion des Gierseils in die Vertikale
und
(A.2)
mit
ZG,Hstromparallele horizontale Kraftkomponente der Kraft ZG im Gierseil
ZG,Vvertikale Kraftkomponente der Kraft ZG im Gierseil.
Abbildung A.2.1 zeigt die Geometrie des Gierseils sowie die angreifenden Kräfte.


Abbildung A.2.1: Geometrie und Kräfte des Gierseils

Zur Ermittlung der Komponenten ZG,H und ZG,V kann in erster Näherung davon ausgegangen werden, dass die Tragseilebene ebenfalls unter dem Winkel α gegen die Horizontal geneigt ist.
3
Tragseil
3.1
Geometrie
Für ein flach zwischen zwei gleich hoch liegenden Aufhängepunkten gespanntes Seil (l >> f) kann mit guter Näherung die Parabel
(A.3)
angenommen werden (Abbildung A.3.1). Für die Seillänge l kann bei einem flach gespannten Seil in guter Näherung
(A.4)
angenommen werden.


Abbildung A.3.1: Tragseilgeometrie
3.2
Seilkräfte
3.2.1
Ermittlung der Kräfte
Die aus Eigenlast, Windlast und Gierseilkraft im Tragseil wirkenden Seilkräfte werden jeweils mit ihren Komponenten ZT,V, ZT,H und ZT,N ermittelt und überlagert. Die einzelnen Komponenten der Seilkräfte des Tragseils sind wie folgt definiert
ZT,Vvertikaler Anteil der Seilkraft am Auflager, Druckkraft in Mast
ZT,Hstromparallele Komponente der Seilkraft am Auflager
ZT,Nin Spannrichtung des Tragseils wirkende Komponente der Seilkraft am Auflager
ZTmaximale Seilkraft
Es wird vereinfacht davon ausgegangen, dass sich der Durchhang sowie dessen Vergrößerung infolge Seildehnung linear addieren.
3.2.2
Eigenlast
Die Komponenten der Seilkraft ZT,g infolge der Eigenlast gT ergeben sich wie folgt
(A.5)
(A.6)
(A.7)
und mit Berücksichtigung der Seildehnung
(A.8)
Die maximale Seilkraft beträgt
(A.9)
oder
(A.10)
3.2.3
Windlast
Die Komponenten der Seilkraft ZT,w infolge der Windlast wT ergeben sich wie folgt
(A.11)
(A.12)
(A.13)
Mit Berücksichtigung der Seildehnung erhält man
(A.14)
Die Seilkraft beträgt
(A.15)
oder
(A.16)
3.2.4
Gierseilkraft
Die Komponenten der Seilkraft ZT,G infolge der Gierseilkraft ZG ergeben sich wie folgt
(A.17)
(A.18)
(A.19)
und der Seilkraft
(A.20)
oder bei Berücksichtigung der Seildehnung
(A.21)
3.2.5
Resultierende Seilkraft ZT
Die Komponenten der resultierenden Seilkraft ZT ergeben sich aus der Summe der Komponenten der zuvor angegebenen Teilkräfte (Abbildung A.3.2):
(A.22)
(A.23)
(A.24)
Die maximale Seilkraft erhält man aus
(A.25)



Abbildung A.3.2: Tragseilkräfte im Raum
3.3
Seildehnung
Da sowohl Wind als auch Eigengewicht nicht als Einzellast sondern über die ganze Länge des Tragseil angreifen, wird davon ausgegangen, daß eine Seildehnung nur durch die Kraft aus dem Gierseil hervorgerufen wird. Infolge der im Seil wirkenden Seilkraft ZG entsteht eine Seildehnung ΔlT
ΔlT = l'T −lT(A.26)
mit
lTSeillänge unter Eigenlast
l’Tgedehnte Seillänge unter Eigenlast und Zugkraft ZG



Abbildung A.3.3: Seildehnung

Für die Seillänge (Abbildung A.3.3) kann bei einem flach gespannten Seil in guter Näherung zu
(A.27)
mit
ZZugkraft im Seil
EVerformungsmodul des Seils nach DIN 18800-1
Ammetallische Querschnittsfläche des Tragseils nach DIN 18800-1 angenommen werden.
Infolge des vergrößerten Seildurchhangs in der Seilebene
f 'T = fT + ΔfT(A.28)
werden die geometrischen und statischen Verhältnisse verändert. Die Seilkraft mit Seildehnung wird über den Korrekturfaktor
(A.29)
mit
ZTSeilkraft ohne Seildehnung
Z'TSeilkraft mit Seildehnung
erfasst.


Abbildung A.3.4: Kräftegleichgewicht für das Tragseil mit und ohne Seildehnung bei angreifender Seilkraft ZG

Nach Abbildung A.3.4 erhält man den Korrekturfaktor über
(A.30)
Der Korrekturfaktor z ergibt sich zu
(A.31)
Die Gleichung kann für eine iterative Berechnung des Korrekturfaktors ζ und mit Hilfe der Näherung ZT zur Berechnung von
(A.32)
verwendet werden.
Bemerkenswert ist, dass bei gleichbleibendem Winkel τ1 der Fehler völlig unabhängig von der Fährseillänge und vom Mastabstand ist. Interessiert man sich für die Auswirkung des Mastabstandes auf den Fehler, so kann man auch folgende umgeschriebene Formel verwenden:
(A.33)
Seildehnungen infolge Temperaturänderungen und deren Einfluß auf die Kräfte im Tragseil sind gesondert zu erfassen.

4
Abspannseile
In der Regel werden die Masten durch Abspannseile quer zur Strömungsrichtung und parallel zur Strömungsrichtung abgefangen. Für die Bemessung der Abspannseile anzusetzenden Einwirkungen ergeben sich aus den Kräften ZT,H und ZT,N des Tragseils sowie aus Wind. Seillängenänderungen infolge Temperaturänderung sind bei der Ermittlung der maßgebenden Seilkräfte zu berücksichtigen.

Die Komponente ZT,V aus dem Tragseil sowie Eigengewicht werden als Normalkräfte über den Mast abgetragen.

5
Schrifttum
[1]
Petersen, Ch.: Stahlbau: Grundlagen der Berechnung und baulichen Ausbildung von Stahlbauten, Braunschweig 1993